Marketplace Leaders:
Ralf Bühler, Conrad Electronic

Ralf Bühler

Conrad Electronic, CEO

Conrad Electronic macht, worüber viele reden: die Transformation vom klassischen Händler hin zur Beschaffungsplattform. Seit über 100 Jahren ermöglicht das Familienunternehmen mit Sitz im oberpfälzischen Hirschau Zugang zu Technik und Elektronik – mit dem Ziel, das Leben von Menschen zu verbessern und Unternehmen erfolgreicher zu machen. Seit 2017 fokussiert sich Conrad auf Geschäftskunden und hat einen Online-Marktplatz gelauncht. Mit 10 Millionen Produktangeboten bietet Conrad seinen über zwei Millionen Kunden allein in Deutschland ein dynamisch wachsendes Angebot.

Ralf Bühler ist mit seiner internationalen Tech-Industrie Expertise in den Bereichen Vertrieb, E-Commerce, Plattform und Marketing seit 2019 führender Stratege hinter Conrad Electronic. Seit 2021 leitet er als CEO die Geschicke des Familienunternehmens. Vorrangiges Ziel des ausgewiesenen B2B-Experten ist der konsequente Ausbau der Conrad Sourcing Platform zu Europas führender Beschaffungsplattform für technischen Bedarf.

Unser Managing Partner und Marktplatz-Experte Thomas Natkowski spricht mit Ralf Bühler über die aktuelle Entwicklungen und Chancen im Markt.

Conrad hat in den vergangenen Jahren sein eigenes Marktplatzgeschäft aufgebaut. Kannst Du den Weg dorthin kurz skizzieren und wo liegen heute eure Schwerpunkte?

Die wichtigste Info ist, dass wir uns mit dem Conrad Marketplace ausschließlich an Geschäftskunden wenden. Bereits seit unserer Gründung vor 100 Jahren haben wir sowohl private Verbraucher*innen als auch Unternehmen adressiert, bevor 1998 unser Geschäftsfeld Conrad Business Supplies offiziell gegründet wurde. 2017 haben wir mit dem Launch des Conrad Marketplace dann unsere bislang wohl größte Transformation eingeläutet. Seitdem wenden wir uns mit der Conrad Sourcing Platform klar an Geschäftskunden, um ihnen rund um die Beschaffung ihres technischen Bedarfs alle Teile des Erfolgs bereitzustellen.

Das Marktumfeld im Handel in den letzten drei Jahren war ein Auf und Ab – wie habt ihr die diversen Krisen wahrgenommen und bewältigt? Was waren die Unterschiede bei Privat- und bei Geschäftskunden?

Die Corona-Pandemie hat den Trend, dass vor allem auch Privatverbraucher*innen verstärkt online einkaufen, noch einmal verstärkt.

Und wir alle wissen, wie hart umkämpft das B2C-Geschäft ist. Conrad wollte nie über den Preis, sondern in erster Linie mit Beratung und Service überzeugen. Das gilt nach wie vor.

Dementsprechend sind wir mit unserer klaren Kursänderung hin zu B2B definitiv auf dem richtigen Weg und hier auch sehr erfolgreich unterwegs. Die Conrad Sourcing Platform sehen wir als Netzwerk aus Menschen, digitalen Lösungen, Services und Partnern, das mit seinem Angebot zum Unternehmenserfolg beiträgt – mit dem Conrad Marketplace als integralem Bestandteil.

Was macht den Erfolg des Conrad Marketplace aus?

Entscheidend ist, dass ein Marktplatz Mehrwert für beide Seiten bringt. Aus Kundensicht heißt das, eine One-Stop-Shop-Experience, die durch ein gleichermaßen breites wie tiefes Sortiment gewährleistet wird. Gerade im B2B-Bereich spielt außerdem die Produktqualität eine extrem wichtige Rolle. Wir haben uns deshalb von Anfang an für ein kuratiertes Marktplatzmodell entschieden. Wir wählen also unsere Marktplatz-Partner gezielt aus und lassen ausschließlich geprüfte Hersteller und Distributoren zu. Hier arbeitet das Business Development eng verzahnt mit dem Sales Team zusammen, um Geschäftskunden möglichst passgenaue Sortimente zur Verfügung zu stellen. Bedarfe können somit zentral über die Conrad Sourcing Platform abgedeckt werden. Dazu kommt auf Kundenseite der Wunsch nach einer möglichst unkomplizierten und reibungslosen Beschaffung, um Zeit und Geld im Einkaufsprozess zu sparen. Dieser Anforderung kommen wir mit maßgeschneiderten E-Procurement-Lösungen nach, die Unternehmen aller Größen und Branchen die für sie passende elektronische Anbindung an die Conrad Sourcing Platform bieten.

Was sind Argumente für Verkäufer?

Für unsere Seller ist der Conrad Marketplace in erster Linie ein neuer Vertriebskanal, der ohne primäre Marketingkosten oder Eingriff in die Preishoheit Zugang zu einem größeren Kundenkreis und neuen Zielgruppen ermöglicht. Und das vor allem auch mit Blick auf die Expansion in internationale Märkte, ohne dass hierfür eine Organisation oder eigene Prozesse im Zielland aufgebaut werden müssen. Außerdem stellen wir unseren Marketplace-Partnern spezielle Services und Tools zur Verfügung: Sie erhalten unter anderem ein detailliertes Reporting mit den wichtigsten Leistungskennzahlen zur Performance ihrer Produkte – darunter der Traffic auf den Produktdetailseiten und Preisvergleiche mit anderen Angeboten.

Welche Ziele wurden in den ersten Jahren erreicht – und welche vielleicht auch nicht?

Bevor unser Marktplatz im Mai 2017 an den Start gegangen ist, hatten wir genau sieben Monate Zeit, um ein Konzept zu entwickeln. Das war definitiv eine Herausforderung, denn im Technik- und Elektronikbereich gab es in Deutschland bis dato kein vergleichbares Angebot für Geschäftskunden. Das Verständnis für einen Marktplatzes im B2B-Bereich steckte damals noch in den Kinderschuhen. Sowohl auf Kundenseite als auch auf der Seite der Lösungsanbieter, der Verkäufer und auch intern bei uns im Unternehmen. Da waren dicke Bretter zu bohren und dementsprechend lag in den ersten 18 Monaten das erzielte GMV unter unseren Erwartungen. Zum einen war das auf Kinderkrankheiten zurückzuführen, die immer auftreten, wenn etwas Neues eingeführt wird. Zum anderen war es aber auch an uns, einige Prozesse, Funktionen, die Go-to-Market-Strategie und die interne Organisation im Vergleich zu unserer traditionellen Arbeitsweise grundlegend zu ändern. Genau diese Anpassungen haben dann in der Folge zu einem rasanten Wachstum geführt.

Rückblickend betrachtet war diese Erfahrung also enorm wichtig, um eure Ziele zu erreichen?

Ganz genau. Was damals als Learning by doing in einem völlig neuen Geschäftsfeld begann, ist heute wertvolle Expertise:

Wir haben unseren Kunden zugehört und wissen ziemlich genau, was sie wollen, wenn es um die reibungslose Deckung ihres täglichen technischen Bedarfs geht.

Vor der Einführung des Marktplatzes haben wir 800.000 Artikel in unserem Webshop auf conrad.de angeboten. Heute sind allein in Deutschland 10 Millionen Produktangebote auf der Conrad Sourcing Platform verfügbar und rund 800 Seller auf unserem Marktplatz aktiv. Darunter große Namen wie One4Business – a SONEPAR Company, RS Components und Kosatec Computer.

Welche Bedeutung hat das europäische Geschäft für den Conrad Marktplatz? Gibt es Pläne für die weitere Internationalisierung?

Das Thema Internationalisierung steht bei uns ganz oben auf der Agenda. In Österreich, den Niederlanden, Italien und Frankreich haben wir bereits Marktplätze gelauncht. Dort können nun auch deutsche Hersteller und Distributoren ihre Ware anbieten und umgekehrt. Cross-Border-Beschaffung über die Conrad Sourcing Platform soll europaweit möglich werden. Wir wollen also auch mit Blick auf den grenzüberschreitenden Handel im Plattformsektor Trends setzen, um Europas führende Beschaffungsplattform für technischen Bedarf zu werden.

Welche weiteren Trends sind für euch relevant? Welche Bedeutung hat bspw. AI für euer Sortiment bzw. Geschäftsmodell?

Das Thema KI ist ebenfalls im Fokus. Bei der Produktkategorisierung arbeiten wir zum Beispiel mit einer KI-basierten Lösung. Außerdem optimieren wir seit Kurzem die Personalplanung im Conrad Logistikzentrum mithilfe eines KI-basierten Prognosetools. Wir nutzen außerdem KI-unterstützte Dashboards für unsere Seller und auch bei der Anzeige von Alternativprodukten auf conrad.de ist KI im Einsatz. Was Generative KI anbelangt, sind wir aktuell in der Testphase: In einem unserer Online-Shops arbeiten wir mit einem AI-Assistant, also quasi einem digitalen Berater. Er hilft dabei, das richtige Produkt für individuelle Anwendungen zu finden. Auch auf komplexe technische Fragen liefert er kompetente Antworten. Der Large Language-basierte Chatbot wird derzeit getestet und optimiert, um ihn dann auch Kunden auf conrad.de zur Verfügung zu stellen.

Wie bewertet ihr die steigende Konkurrenz chinesischer Marktplätze?

Unsere eigenen Beobachtungen sowie eine Vielzahl unserer Gespräche mit Kunden legen nahe, dass solche Plattformen oft skeptisch betrachtet werden. In vielen Fällen erfüllen sie bestimmte Anforderungen wie SLAs und Compliance-Aspekte nicht, die spezifisch für B2B sind und von diesen Plattformen oder deren Anbietern nicht immer unterstützt werden. Ungeachtet dessen besteht unser Ansatz ohnehin darin, dass wir uns auf die Bedürfnisse unserer Geschäftskunden und Partner konzentrieren und alles dafür tun, diese zu erfüllen, statt uns damit zu beschäftigen, was die Konkurrenz macht.

Wo seht ihr das Marktplatzgeschäft in zwei bis drei Jahren?

Ich denke, dass sich gerade viele Firmen damit beschäftigen, ihr Geschäftsmodell um einen Marktplatzansatz zu erweitern. Gerade im B2B-Umfeld sind die Anforderungen über die reine Warenverfügbarkeit hinaus jedoch sehr speziell, da in vielen Fällen nicht einfach auf Webseiten eingekauft wird. Deshalb glaube ich, dass nicht alle Versuche zum Erfolg führen werden, da die erfolgreiche Etablierung eines Marktplatzes einer Transformation des gesamten Geschäftsmodells bedarf. Das geht weit über die zweifelsohne vorhandenen Werkzeuge und Lösungsanbieter zur Realisierung eines Marktplatzes hinaus. Wir haben das ja selbst in den letzten Jahren live erleben können.

Kurzprofil & Kontakt – eStrategy Consulting

eStrategy Consulting hilft Klienten dabei, digitale Innovationen zur Weiterentwicklung bestehender Geschäftsmodelle und für den Aufbau neuer Geschäftschancen zu nutzen. Die Handelsbranche unterstützen wir dabei in der Weiterentwicklung zum Omnichannel und Connected Commerce und zählen Hersteller, klassische Big Box Retailer, die Handelsimmobilienwirtschaft oder digitale Marktplätze und Plattformen zu unseren Kunden.

eStrategy Consulting deckt den gesamten Lebenszyklus digitaler Innovation ab, von der Analyse über die Ideation, die Lösungsentwicklung und die Markteinführung. Wir arbeiten als Strategie- und Konzeptentwickler sowie als nahtlos integrierter und pragmatischer Umsetzungsmanager. Wir setzen dafür auf einen Methoden-Mix aus der Welt des Digital Business und der klassischen Unternehmensberatung. Im Mittelpunkt stehen dabei sowohl die anwendenden Kunden unserer Klienten als auch seine Organisation und Fähigkeiten, die zum Betreiben notwendig sind.

Ansprechpartner

Thomas Natkowski
Partner & Geschäftsführer

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