Direct-to-Consumer: Drei Schlüsselfragen, die über den Erfolg von Hersteller-Webshops von Top-Brands entscheiden

Der Aufbau und die Skalierung eines eigenen E-Commerce Business – also eines eigenen Webshops – ist eines der derzeit dominierenden Themen der Marketing- und Sales-Abteilungen von Herstellern aller Branchen wie bspw. Consumer Electronics, Home & Garden oder Sport und Wellness. Gleiches gilt auch für B2B Hersteller, die zunehmend Strategien zum direkten Online-Kauf entwickeln und umsetzen.

Die Motivationen dafür sind klar und setzen sich in der Regel aus individuellen Kombinationen der folgenden Potenziale zusammen:

  1. Direkte Monetarisierung der eigenen Online-Reichweite: Gerade für High-Interest Produkte gehört der Besuch der Hersteller-Website ohnehin bereits zum Standard der Customer Journey des Kunden. Keiner sollte schließlich so gut und umfangreich über seine Produkte informieren können wie der Hersteller selbst. Warum also diese Reichweite nicht direkt monetarisieren?
  2. Aufbau von langfristigen, wertvollen und gestaltbaren Kundenbeziehungen: Omnichannel-Marketing von Herstellern zielt von jeher darauf ab, über die eigenen digitalen Kanäle direkte Beziehungen zu möglichst vielen Kunden aufzubauen. Eigener E-Commerce ermöglicht es nun, noch mehr über den Kunden zu erfahren, die Beziehungen noch stärker und individualisierter zu entwickeln und den Customer Lifetime Value jedes Kunden aktiv entwickeln zu können.
  3. Loyalität stärken und Abwanderung verhindern: Die durch E-Commerce gestärkt aufbaubaren Beziehungen zu Kunden befähigen Hersteller, Kundenloyalität selbst zu gestalten und zu entwickeln, unabhängig vom Handel, der ja jederzeit geneigt sein kann, andere Hersteller mehr zu empfehlen.
  4. Die Reduktion der relativen Marketingkosten, also des Anteils des Marketings am Umsatz: Kein Marketing ist so kosteneffizient wie das digitale, datengetriebene und personalisierte Reaktivieren von Bestandskunden über eigene Kanäle (Website, App, Newsletter, …), denn die Kundenrelevanz ist hoch und es werden keine Budgets für Media oder Performance Marketing notwendig.
  5. Vertriebskanäle für innovative Sortimente zu schaffen, die der Handel nicht oder nur bedingt verkaufen kann: Hierzu können bspw. Kreiswirtschafts-Strategien mit zertifiziert aufbereiteten Altgeräten gehören. Und natürlich geht es dabei auch um digitale Services der Hersteller, die oftmals als subscription-basierte Geschäftsmodelle angeboten werden, die über die Checkout-Prozesse des Handels nicht vertrieben werden können.

Der Start des eigenen E-Commerce erfordert den Aufbau umfangreicher operativer und technischer Fähigkeiten: Das Online-Marketing muss intensiviert werden. Für den Webshop werden E-Commerce- und Order-Management-Systeme benötigt, die ausreichend an die – dafür oftmals zu erweiternden – ERP- und CRM-Systeme angeschlossen werden müssen. Logistik-, Retouren- und Customer-Care-Prozesse sind aufzubauen. Neue Fähigkeiten wie das Preismanagement müssen entwickelt werden. Der für den E-Commerce notwendige Investitionsrahmen wird schnell zu einem Vielfachen der bislang für das Online-Marketing gewohnten Budgets.

Entscheidend für den Erfolg des Ausbaus der eigenen Omnichannel-Marketingaktivitäten um E-Commerce ist allerdings nicht nur der Aufbau einer professionellen Infrastruktur. Entscheidend ist auch, seinen Kunden einen Grund dafür zu geben, im eigenen Webshop zu kaufen und dadurch Umsätze überhaupt entstehen zu lassen: Warum ist der eigene Webshop besser als die bestehende Konkurrenz? Welche attraktiveren Mehrwerte können dem Kunden angeboten werden, die bspw. der Handel nicht anbieten kann? Dazu müssen sich Hersteller darüber klar werden, dass eine gegebene attraktive Value Proposition der eigenen Produkte noch in keiner Weise gewährleistet, dass auch die Value Proposition der eigenen Vertriebskanäle attraktiv ist.

Gleichzeitig entsteht aus dieser Frage ein großes Risiko für die Konsequenz des Aufbaus eines attraktiven eigenen Webshops: Was passiert mit den bestehenden Beziehungen zu Handelspartnern, wenn der eigene Webshop attraktiver wird als die Verkaufskanäle der Händler?

Deshalb wollen wir uns in dieser Studie mit drei Schlüsselfragen beschäftigen, die für den Erfolg des um E-Commerce erweiterten Omnichannel-Marketings essentiell sind:

Dazu haben wir analysiert, wie Top-Herstellerbrands aus verschiedenen Branchen wie Consumer Electronics und Home Appliances auf ihren Online-Kanälen und Webshops diese Fragen beantworten. Unsere Analyse basiert auf einem Outside-In-Ansatz und nur auf von außen einsehbaren Erkenntnissen. Betrachtet haben wir etablierte deutsche und internationale Hersteller, aber auch verhältnismäßig junge Marken, die in den letzten 10 bis 20 Jahren entwickelt worden sind, also Marken mit einer stark digital geprägten DNA – quasi Digital Natives der Markenwelt.

1. Value Proposition für den Kauf im Hersteller-Webshop

In der Omnichannel Customer Journey ist jeder Wettbewerber für den Konsumenten nur einen Klick entfernt. Deshalb setzen sich immer nur die besten Angebote durch und Kundenloyalität sinkt. Natürlich gilt dieses nicht nur für die Wettbewerbsfähigkeit von Produkten, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit von Vertriebskanälen. Nur wenn der Webshop eines Herstellers insgesamt eine bessere Customer Experience bietet als andere Online-Verkaufskanäle – insbesondere die der etablierten Händler – wird er sich im Markt etablieren.

Viele Hersteller versuchen sich dabei darauf zu verlassen, dass die Strahlkraft der Marke ausreicht, um Produktattraktivität sofort auch auf die Attraktivität des eigenen Webshops zu übertragen. Aber warum sollte das der Fall sein? Bei einem anderen Webshop, der einen besseren Preis, besseren Service oder andere Vorteile bietet, kann der Kunde ja trotzdem das gleiche Markenprodukt kaufen, nur dann zu besseren Rahmenbedingungen. Gleichzeitig werden Hersteller aus verständlichen Gründen danach streben, Preisattraktivität nicht einfach über radikale Preisreduktionen zu erreichen und dadurch in einen Preiskampf mit den eigenen Händlern zu treten.

Folgende Ansätze für gute Value Propositions werden wir im Folgenden genauer betrachten:

1.1 Preisattraktivität

Wenn ein Kunde den Prozess der Produktauswahl abgeschlossen hat und es ihm nur noch um die Beantwortung der Frage geht, bei wem und über welchen Kanal ein Produkt gekauft wird, spielt der Preis eine kaufentscheidende Rolle. Diese Realität ist ein wichtiger Fakt, die bei der Bestimmung der Value Proposition des eigenen Online-Shops von Herstellern nicht außer Acht gelassen werden darf. Zudem trifft der Hersteller auf zwei Herausforderungen, weshalb Preisattraktivität die disruptivste Value Proposition des Webshops ist. Einerseits birgt ein preisattraktiver eigener Hersteller-Webshop das größte Konfliktpotenzial mit dem Handel. Auf der anderen Seite ist eine dauerhafte Unterbietung des UVP seitens des Herstellers aus rechtlicher Sicht, jedenfalls über Streichpreise, gar nicht möglich. Indirekte Preisvorteile und Kampagnen sind jedoch zulässig. Einige Möglichkeiten stellen wir im Folgenden vor.

GoPro: Kamera- und App-Packages mit Discounts und Vouchers

GoPro ist ein Beispiel für eine sehr konsequente, auf Mehrwert für den Kunden ausgerichtete Preisstrategie. Die wichtigsten Eckpfeiler:

  • GoPro Kameras werden auf der GoPro Website zu einem UVP von ca. 500 bis 600 EUR angeboten. Auf diesen Preis gewährt GoPro einen Discount von kameraabhängigen 150 bis 200 EUR, falls der Kunde beim Kauf ein GoPro Abo von 49,99 EUR pro Jahr abschließt. Der übergreifende Discount, unter Berücksichtigung des Abos, liegt damit bei 20 – 25% des UVP.
  • Das GoPro Abo bietet dem Kunden einen unbegrenzten Cloud-Service zur Speicherung der Aufnahmen, die Erstellung von Videos und die Distribution an das Smartphone. Zusätzlich werden Premiumtools zur Bildbearbeitung kostenfrei nutzbar.
  • Durch den Kauf einer Kamera in Kombination mit dem Abo werden weiterhin Discounts für den Kauf von bis zu drei weiteren Kameras angeboten, in Höhe von 100 bis 120 EUR pro Kamera.
  • Weiterhin werden bis zu 50% Rabatt auf Zubehör und Lifestyle-Produkte gewährt, also auf ein normalerweise sehr margenstarkes Sortiment.
GoPro Abo

Abo-Modell von GoPro (gopro.com)

Einschätzung aus Kundensicht: Als Kunde kann ich beim Kauf einer Kamera in Kombination mit dem GoPro Abo bereits im ersten Jahr auf Preisreduktionen für weitere GoPro Produkte zurückgreifen, die in Summe bis zu ca. 500 EUR betragen können (der genaue Wert ist produktabhängig – diese Summe entspricht bereits in etwa dem Preis der gesamten gekauften Kamera). Der Kauf direkt bei GoPro bietet mir also attraktive Preise, die mit den Bestpreisen von Händlern mindestens konkurrenzfähig sind und bietet zudem eine deutlich bessere Brand-Erfahrung als der Kauf beim Händler.

Einschätzung aus Herstellersicht: Die hohen Preisrabatte klingen zunächst überraschend hoch. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass die auf dem eigenen Webshop umgesetzte Preisstrategie sowohl aus Sicht der Top-Line als auch der Bottom-Line Sinn macht: Die Preisattraktivität des eigenen Webshops schafft die Grundlage für eine hohe Anzahl von Kunden und einen sehr hohen Umsatz (Top Line) pro Kunde, einen hohen Customer Lifetime Value.

Auch aus Margensicht wird das Modell vermutlich gut funktionieren, denn GoPro zieht die Discounts vom USP ab, wohingegen die Bestpreise im Handel bereits um 20% bis 25% unter dem USP liegen (Stichprobe). Die GoPro Marge wird zudem begünstigt durch die wegfallende Händlermarge. Wegfallende weitere Kosten zur Unterstützung des Handelsmarketings und für Händler-Trainings werden vermutlich durch leicht darüber liegende Setup- und Betriebskosten für den eigenen Webshop ersetzt. In Summe dürfte die Marge über alle discountierten Kameras (initial gekaufte Kamera und drei weitere Kameras) sogar besser sein als beim Verkauf über den Handel.

Und: Die Apps bieten GoPro direkten Zugang zum Kunden und sehr konkretes Wissen über die kundenspezifische Nutzung der Produkte, refinanziert über eine neue Einnahmemöglichkeit.

Nespresso: Abo-Modelle

Nespresso ist vermutlich weiterhin die stärkste Marke im Kaffeekapsel-Geschäft, vielleicht sogar die kategorie-determinierende Marke (ähnlich wie Tempo für Taschentücher). Trotzdem muss sich Nespresso überlegen, wie sie nicht nur die eigenen Produkte (Maschinen und Kapseln), sondern auch den eigenen Vertriebskanal vom Markt abheben. Zwei Initiativen sind dabei besonders erwähnenswert:

  • Order & Care ist ein Bestellabo, bei dem Kunden sich vorab dazu entscheiden, in bestimmten Abständen eine zuvor definierte Anzahl von Kaffeestangen (mit je 10 Kapseln) liefern zu lassen. Pro 10 bestellten Stangen erhalten sie eine Stange Kapseln umsonst dazu. Pro 10 Stangen spendet Nespresso zusätzlich 1 EUR in die Pensionskasse der Nespresso Kaffeefarmer (bei ca. 5 EUR pro Stange entspricht dies in etwa 2,5% des Umsatzes). Das Abo ist jederzeit kündbar.
  • Join & Care ist ein Bestellabo, das erst nach frühestens 12 Monaten kündbar ist und ein festes monatliches Verbrauchsguthaben von 20 bis 130 EUR beinhaltet, bei 12 Monaten also 240 EUR bis 1.560 EUR. Im Abo enthalten ist der Kauf einer Nespresso Kaffeemaschine im Wert (UVP) von 109 EUR (ESSENZA MINI, bei 20 EUR Verbrauch pro Monat) bis 749 EUR (CREATISTA PLUS, bei 130 EUR im Monat). Der Preisvorteil für den Kunden, der sich insgesamt für Maschine und Kaffee ergibt, liegt also bei 45 – 48%.
Nespresso

Abo-Modelle von Nespresso (nespresso.de)

Einschätzung aus Kundensicht: Die im Rahmen der Abos angebotenen Preisrabatte von 45 – 48% klingen zunächst bestechend. Dieses relativiert sich allerdings beim Blick auf im Internet von Händlern angebotene Bestpreise. Die ESSENZA MINI, bei Nespresso mit 109 EUR ausgepreist, ist für einen Bestpreis von ca. 75 EUR zu erhalten, die CREATISTA PRO für 597 EUR). Trotzdem ergeben sich unter dem Strich im ersten Jahr auf Maschine und Kapseln ein Rabatt von 31 – 38%.

Einschätzung aus Herstellersicht: Das hohe Delta zwischen UVP und Internet-Bestpreisen lässt vermuten, welche hohen Margen Nespresso beim Verkauf der Nespresso Originalmaschinen hat und wie unwahrscheinlich es ist, dass Kunden die Maschinen zum UVP direkt bei Nespresso kaufen. Das relativiert die initialen Kosten für Nespresso, die durch den Verkauf der Maschine zum Preis von 1 EUR entstehen. Der ROI wird durch den angestrebten hohen Customer Lifetime Value entstehen, entweder direkt durch das Abo oder durch die nach Ablauf des Abos weiterhin bei Nespresso gekauften Kapseln.

Gleichzeitig gelingt es Nespresso durch diesen Ansatz dem Kunden gegenüber ein preislich attraktives Angebot zu unterbreiten und trotzdem dem Handel die Preisführerschaft zu erlauben.

Leica: Cross-Channel Campaigns

Leica setzt im eigenen Online-Shop zunächst nur auf den UVP, bietet aber Gutschein-Aktionen an, um preislich attraktiver zu werden. In Q1 2023 wird bspw. ein Gutschein von 1.000 EUR gegeben, der für den Kauf von Leica Kits (Kamera und Objektiv) genutzt werden kann, allerdings nur für die Top-Produktreihen. Diese haben im Leica Online-Shop einen UVP von 8.200 EUR, der Gutschein entspricht also ca. 12% des Preises. Bemerkenswert ist aber, dass der Discount auch beim Kauf im Off- und Online-Fachhandel eingelöst werden kann, wo das gleiche Kit für 6.400 EUR erhältlich ist. Der Discount steigt also auf fast 16%. Die unter Einsatz des Gutscheins und Kauf beim Bestpreis-Händler gezahlten 5.400 EUR bieten gegenüber dem UVP sogar eine Reduktion um 34%.

1000 Euro Gutschein-Aktion von Leica (leica-camera.com)

Einschätzung aus Kundensicht: Leica ist eine Premiummarke, die sich nicht über Preisrabatte definiert. Die Top-Produkte der Marke zu einem Preis von 2/3 des UVP zu kaufen ist eine attraktive Option mit einem absoluten Preisvorteil von 2.800 EUR. Besonders spannend ist diese Strategie aus Kundensicht, weil der Gutschein auch beim Fachhandel eingelöst werden kann. Es geht also nicht nur um das versteckte Reduzieren des UVP, sondern schlicht um einen starken Kaufanreiz.

Einschätzung aus Herstellersicht: Leica richtet sich insgesamt an eine hochwertige, kaufkraftstarke Zielgruppe. Die Customer Acquisition Costs in solchen Premiummärkten sind hoch. Durch den Gutschein erhält Leica die E-Mail-Adresse von Käufern. Das Einlösen des Gutscheins lässt Leica zudem erkennen, welcher Kunde welches Produkt gekauft hat, auch wenn das beim Fachhandel passierte. Das wiederum kann zum Forcieren der Registrierung der Produkte und zum Nutzen des Leica Accounts genutzt werden, also zum Einstieg in eine durch Leica gestaltbare direkte Beziehung zum Kunden. Dadurch ist diese Art von Kampagne für Leica also zusätzlich auch ein Vehikel für eine gelungene Antwort auf die zweite in diesem Artikel beleuchtete Frage: Möglichkeiten zum Motivieren der Anlage eines Kundenaccounts.

Ein weiterer wichtiger Vorteil für Leica ist das direkte Einbinden des Fachhandels, der vom Gutschein profitiert. Herstellern bieten sich durch solche Gutschein-Konzepte auch verschiedene Modelle zur Einbindung der Fachhändler an, bspw. können Gutschein-Kosten auch mit dem Händler geteilt werden oder nur ausgewiesene, zertifizierte Händler dürfen mit den Gutscheinen arbeiten. In diesem Sinne ist die Leica-Kampagne gleichzeitig auch eine Option zur Einbindung des Fachhandels.

Dyson: Bestpreis-Garantie

Dyson bietet seinen Kunden eine Best-Preis Garantie: Sollte der Kunde ein Dyson-Produkt in den sieben Tagen nach dem Kauf bei einem Dyson Fachhändler nachweislich günstiger erwerben können, zahlt Dyson die Differenz. Zu den Fachhändlern gehören Off- und Online-Händler, inkl. Big Box Retail Partner, wie MediaSaturn.

Dyson best price

Bestpreis Garantie von Dyson (dyson.de)

Einschätzung aus Kundensicht: Kunden können sich durch die Best-Preis Garantie darauf verlassen, beim Kauf direkt bei Dyson keine preislichen Nachteile zu riskieren. Dazu erforderlich ist nur die Recherche nach dem Best-Preis. Allerdings bleibt die Frage offen, warum der Kunde, nachdem er den Best-Preis Händler gefunden hat – was oftmals vor dem Kauf geschehen wird, nicht in den sieben Tagen danach – nicht direkt beim Händler kauft, sondern wieder zurück zum Dyson Webshop gehen soll. Dafür ist keine wirkliche Motivation gegeben.

Einschätzung aus Herstellersicht: Die Best-Preis Garantie schafft Preisattraktivität, ohne zwangsläufig vorab Preiskampagnen fahren zu müssen. Auch bei Gewährleisten des Best-Preises ist für Dyson außerdem eine höhere Marge als beim Verkauf über den Händler wahrscheinlich, weil keine Händlermarge berücksichtigt werden muss.

Sonos und Bose: Studierenden-Rabatte

Sonos und Bose bieten Studierenden pauschal preisliche Reduktionen an. Sonos gestaltet diese Reduktion als pauschalen Rabatt von 15%. Bose bietet einen absoluten Rabatt von 25 EUR für Käufe über 100 EUR.

Studierendenrabatt von Sonos (sonos.de)

 

Studierendenrabatt von Bose (bose.de)

Einschätzung aus Kundensicht: Sonos und Bose sind Premiummarken, die für viele Studierende trotz des Rabatts sehr teuer sein dürften. Es ist zu vermuten, dass Best-Preis-Händler diese Rabatte zumindest temporär auch unterbieten werden. Trotzdem bieten diese Aktion erste Optionen in den Einstieg in die jeweiligen Produktwelten und sendet der Zielgruppe das klare Signal, dass diese für Sonos und Bose besonders wichtig ist.

Einschätzung aus Herstellersicht: Als Premiummarken setzen beide Hersteller auf langfristige Kundenbeziehungen. Aufgrund des Systemgedankens gilt das insbesondere auch für Sonos. Durch den Studierendenrabatt erhalten beide Marken die Möglichkeit, die gewünschten Kundenbeziehungen frühzeitig zu starten und zu formen.

1.2 Services

Die Differenzierung über Services ist seit jeher Wunsch vieler Hersteller. Häufig wird diese Differenzierung auch bereits als gegebene Selbstverständlichkeit empfunden. Deshalb ist es überraschend, wie schwer es fällt, wirklich hervorstehende Service-Angebote zu benennen und wie viele von Herstellern angebotene Services letztendlich sogar nicht einmal marktübliche Standards erreichen. Insgesamt ist das erfolgreiche Nutzen von Services für den Aufbau eines attraktiven eigenen E-Commerce Business eindeutig seltener zu sehen als die weiter oben gezeigten Optionen für Preisattraktivität.

Sonos: telefonische Kaufberatung und virtueller Showroom

Sonos bietet sehr komplexe Produkte, die sich technisch permanent weiterentwickeln (was sich auch in den verschiedenen Produkt-Generationen wiederfindet) und vielfältig kombinierbar sind. Deshalb bietet Sonos die Möglichkeit, sich als Kunde direkt und telefonisch zur richtigen Produktauswahl beraten zu lassen. Diese Beratung kann mit dem virtuellen Showroom von Sonos verbunden werden.

Sonos Live- Experten (sonos.com)

Einschätzung aus Kundensicht: Sonos erfüllt mit der telefonischen Kaufberatung eine intrinsische Erwartung der Kunden: Keiner müsste besser in der Lage sein, zu den eigenen Produkten zu beraten als der Hersteller selbst. Dadurch wird der Besuch beim stationären Fachhandel inhaltlich ersetzt und damit überflüssig oder der Besuch beim Fachhandel kann zumindest besser vor- und nachbereitet werden.

Einschätzung aus Herstellersicht: Die direkte Beratung der Kunden hat für Sonos verschiedene Vorteile, 1) die Möglichkeit zur direkten Umsatzerzielung über den eigenen Webshop – allerdings nur im Falle von dort gegebenen preislich attraktiven Angeboten, 2) das Unterstützen des Kaufs beim stationären oder Online-Handel, insbesondere im Falle der dort gebotenen besseren Preise und 3) die Möglichkeit, zu interessierten Kunden eine gestaltbare Beziehung aufzubauen. Der große Nachteil der Beratung im stationären Fachhandel ist die fehlende Follow-Up Möglichkeit: Der Berater vor Ort investiert seine Zeit und seine Expertise in die Beratung des besuchenden Kunden, verliert aber den Kontakt, sobald der Kunde aus dem Geschäft geht. Die telefonische Beratung von Sonos kann dieses Problem lösen, wenn im Call die Marketingeinverständniserklärung des Kunden eingeholt wird.

Erhöhte Rückgabefristen und Garantiezeiten

Auffällig ist, dass Hersteller ihren Online-Kunden häufig großzügigere zeitliche Fristen für Rückgaben und Garantielaufzeiten setzen als gesetzlich vorgeschrieben. Rechtlich gefordert werden eine Rückgabefrist von 30 Tagen nach Kauf sowie eine Gewährleistungsgarantie von zwei Jahren nach Kauf.

Beispiele für verlängerte Rückgabefristen sind:

  • Sonos, 100 Tage Rückgaberecht
  • Bose: 90 Tage Rückgaberecht
  • Philips: 45 Tage Rückgaberecht

Beispiele für verlängerte Garantielaufzeiten sind:

  • Ausgewählte Geräte von Philips, allerdings nur für Käufer mit einem aktiven My Philips Kundenkonto. Für diese Geräte verlängert sich die Garantie um ein weiteres Jahr auf insgesamt 3 Jahre
  • AEG bietet auf ausgewählte Produkte und Teile wie bspw. Motoren von Waschmaschinen eine Garantie von 5 oder sogar 10 Jahren.
  • Manche Hersteller wie AEG bieten die Möglichkeit, längere Garantiezeiten käuflich zu erwerben.

Einschätzung aus Kundensicht: Rückgabefristen und Garantielaufzeiten sind als Faktor für die Kaufentscheidung vermutlich weniger wichtig als der Preis – aber sie sind trotzdem ein Faktor! Deshalb helfen diese Ansätze dabei, sich als Hersteller vom Handel abzuheben.

Einschätzung aus Herstellersicht: Hersteller, die längere Rückgabefristen erlauben, müssen sich auf zwei Dinge einstellen: Einen größeren Anteil an Rücksendungen und einen stärkeren Abnutzungsgrad der zurück gesendeten Ware. Entgegenwirken können Hersteller bspw. die Nutzung des eigenen E-Commerce für den Verkauf von B-Ware und durch eine auf Kreislaufwirtschaft, also die Wiederverwendbarkeit von Teilen ausgerichtete Produktion.

Leider nur in der Theorie eine Option: Liefer- und Installationsservices

Lieferkosten sind für Kunden ein Schlüsselkriterium beim Kauf. Insbesondere bei großen Hausgeräten gilt gleiches auch für die Geräteinstallation. Viele Hersteller betonen auf ihren Webshops deshalb ihre Liefer- und Installationsservices.

Beispiele für Lieferservices:

  • DJI: Kostenfreie Lieferungen für Bestellungen über 119 EUR
  • AEG: Lieferung an die Bordsteinkante kostenlos
  • Bosch: Lieferung Bordsteinkante für 34,99 EUR

Beispiele für Installationsservices:

  • AEG: 29,99 EUR
  • Bosch: 59,99 EUR

Einschätzung aus Kundensicht: Aus Kundensicht sind diese Services leider nicht wettbewerbsfähig. Kostenfreie Lieferung gehört zumindest beim Platzhirsch, Amazon Prime, zum Standard und wird dort zudem mit sehr kurzen Lieferzeiträumen kombiniert. Eine AEG Waschmaschine lässt sich beim Kauf über Amazon auch für 10 EUR direkt installieren.

Einschätzung aus Herstellersicht: Hersteller müssen sich stärker im Klaren darüber werden, welche Bedeutung attraktive Liefer- und Installationsservices für den Kauf haben und entsprechende Infrastrukturen aufbauen oder zusammen mit Partnern entwickeln. Dabei muss im Auge behalten werden, dass für den Kunden am Ende der Gesamtpreis zählt, also die Summe aus Kaufpreis, Liefer- und Installationskosten.

1.3 Produktexklusivität

Dyson: Exklusive Produkte uznd Bundles

Eine weitere Option zur Differenzierung des eigenen Webshops ist für Hersteller das dortige Anbieten von exklusiven Produkten, die nur auf dem eigenen Webshop angeboten werden und nicht – oder noch nicht – beim Handel.

Zwei Beispiele dafür finden sich bei Dyson: Manche Produktlinien, typischerweise Neuheiten oder Produktinnovationen wie der Dyson Staubsauger V15 Detect+) sind nur online und direkt bei Dyson erhältlich. Außerdem bietet Dyson Bundles, also Kombinationen aus Produkten, oder bestimmte Produktfarben nur im eigenen Webshop an.

Ein anderes Beispiel bietet Canon, ebenfalls für Produktneuheiten, aber in anderer Ausprägung: Neue Kameras können bei Canon online vorbestellt werden.

Dyson V15 Detect+ Staubsauger (dyson.de)

Einschätzung aus Herstellersicht: Exklusive Produkte richten sich an zwei unterschiedliche Zielgruppen, Markenfans und preisbewusste Kunden. Für Markenfans bieten diese exklusiven Produkte funktionale Vorteile und emotionale Benefits. Der Vorteil der Vorbestellung von Produktneuheiten zeigt sich bei Canon bspw. darin, dass manche neue Kameras direkt nach Markteinführung ausverkauft sind. Und aus emotionaler Sicht wird es für Markenfans etwas besonderes sein, exklusive Produkte direkt bei der Marke kaufen zu können und sich dadurch vom Standardverbraucher abzuheben.

Preisbewusste Kunden interessieren sich hingegen vermutlich insbesondere für die exklusiven Bundles und die darin enthaltenen Preisvorteile.

Einschätzung des Herstellers: Das Vermarkten und Vertreiben von Produktinnovationen nur über die eigenen (in diesem Fall digitalen) Vertriebskanäle bietet dem Hersteller mehrere Vorteile. Zum einen, eine aus Markensicht vollständig kontrollierbare und durch die eigene Content-Kompetenz ideal gestaltbare Product-Experience auf den eigenen Kanälen, die gleichzeitig als zentrale Landingpage für Online-Marketingmaßnahmen dienen kann. Sowie zum anderen, eine direkte Monetarisierung, ohne Abgabe von Händlermarge. Exklusive Bundles bieten dem Hersteller die Möglichkeit, Kunden preislich attraktive Angebote zu unterbreiten, ohne in den sichtbaren, direkten Preiswettbewerb mit seinen Händlern zu treten.

2. Mehrwerte von Kundenaccounts der Hersteller-Webshops

Damit Hersteller die Potenziale einer D2C-Strategie ausschöpfen, ist es essentiell direkte Beziehungen zu eigenen Kunden aufzubauen. Eine wesentliche Funktion dafür sind Online-Kundenaccounts. Das Ziel der direkten, digital gestaltbaren Beziehung zum Kunden verfolgen Hersteller bereits seit längerem, oftmals deutlich vor dem Start des eigenen Webshops. Für den Erfolg des eigenen Webshops werden diese Kundenaccounts nun besonders wichtig, denn durch ihre Möglichkeit der direkten Kommunikation mit den Kunden bieten sie Herstellern die Chance auf die aktive Gestaltung eines hohen, langfristigen Customer Lifetime Values, zu niedrigen Marketingkosten.

Doch wie schaffen es Hersteller Kunden dazu zu bringen einen Account zu erstellen? Im Folgenden stellen wir drei typische Mehrwerte vor, die Herstellern ihren registrierten Kunden anbieten:

  • Erweiterte Garantie bei Produktregistrierung
  • Rabatte für Kundenregistrierung
  • Statusabhängige, exklusive Services

2.1 Erweiterte Garantie bei Produktregistrierung

Insbesondere Premium-Hersteller von Elektronikgeräten gewähren Kunden verlängerte Garantien, um die Qualität der Produkte beim Kauf noch besser auszudrücken und eine weitere Value Proposition gegenüber Herstellern von günstigeren Alternativen zu bieten. Diese Garantieverlängerungen können auch nach dem Kauf bei einem Händler nachträglich beim Hersteller eingelöst werden – durch die Registrierung der Produkte und das damit verbundene Aufsetzen eines Kundenaccounts.

Leica und Philips verlängern bspw. die Herstellergarantie um ein Jahr, also auf insgesamt drei Jahre. Bosch gewährt bei Registrierung sogar 10 Jahre Garantie auf den Motor für Staubsauger. Hingegen nutzt Dyson die Herstellergarantie auch als Vehikel, um Kundenaccounts zu incentivieren – allerdings ohne Zugabe weiterer Garantiejahre. Denn wenn Kunden bei Dyson die ohnehin gesetzlich vorgeschriebene Herstellergarantie erhalten möchten, müssen sie das Produkt auch registrieren. Die Account-Registrierung erfolgt hier also aus reiner Notwendigkeit heraus, bietet aber keine originären eigenen Mehrwerte.

Einschätzung aus Kundensicht: Die Möglichkeit für die kostenfreie Garantieverlängerung alleine durch Registrierung des Produkts dürfte für viele Kunden sehr interessant sein. Der Kundenaccount wird dabei als notwendige Grundvoraussetzung mit erschaffen – muss sich seine Daseinsberechtigung, insbesondere als Kommunikationsplattform für den Austausch zwischen Hersteller und Kunde, nachträglich noch erarbeiten.

Einschätzung aus Herstellersicht: Garantieverlängerungen sind für Hersteller eine gute Möglichkeit kostengünstig Kundenaccounts zu generieren, denn auch Kunden, welche das Produkt beim Händler erworben haben, registrieren sich direkt beim Hersteller. Für den Hersteller bietet dies die Chance dem Kunden zukünftige direkt Angebote zu unterbreiten, einen Customer Lifetime Value zu generieren und dies ohne hohe Kundenakquisitionskosten, da diese der Händler getragen hat. Der Hersteller musste den Kunden lediglich auf das Angebot der Garantieverlängerung aufmerksam machen, bspw. über die eigenen Online-Kanäle, die der Kunde im Rahmen seiner Kaufentscheidung oftmals mit besucht, oder durch Packungsbeilagen.

2.2 Rabatte für Kunden- oder Produktregistrierung

Eine andere Incentivierung für die Erstellung eines Kundenkontos, ist das Angebot von Rabatten. Ein Beispiel ist AEG: Kunden erhalten einen 25% Rabatt auf online bei AEG gekaufte Zubehörartikel, als Dank für die Registrierung eines Produkts und die damit verbundene Einrichtung eines Kundenaccounts. Wiederum gilt auch hier, dass diese Funktion auch für beim Handel gekaufte Produkte nutzbar ist. Bei GoPro und Stihl können auch Neukunden einen Rabatt auf die nächste Bestellung erhalten. GoPro erlässt beim nächsten Kauf im eigenen Online-Shop 10% und Stihl 15 EUR, wenn Neukunden zuvor den Newsletter abonniert haben.

Manche Hersteller bieten ihre Kunden, die an die Kundenregistrierung gebundenen Rabatte auch in Form eines Cash Back-Programmes an: Registrierte Kunden erhalten einen bestimmten Prozentsatz ihres direkt beim Hersteller-Webshop erzielten Einkaufswert als Gutschein, der im Shop eingelöst werden kann. Wie bei allen Rabattprogrammen hängt die Attraktivität vor allem mit der Höhe des Cash Backs zusammen. Ein bekannter Hersteller von Drohnen bspw. bietet seinen Kunden einen Cash Back Wert von 1% an – dieser Wert ist so gering, dass man dem Hersteller eigentlich dazu raten müsste, das Cash Back Programm in dieser Form wieder einzustellen.

Einschätzung aus Kundensicht: Für Kunden können solche Rabatte sehr interessant sein – aber nur unter der Voraussetzung der ausreichenden Höhe. Manche angebotenen Rabatte sind so niedrig dimensioniert, dass man sich fragen muss, ob diese Aktionen aus Kundensicht nicht sogar irritierend und negativ wirken.

Einschätzung aus Herstellersicht: Für Hersteller sind solche Rabatt-Angebote ein relativ einfaches Mittel zur Generierung von Kundenaccounts. Damit dies funktioniert, müssen die Rabatte allerdings ausreichend hoch sein. Für ausreichend hohe Rabatte spricht die Möglichkeit zur Gegenfinanzierung über die Einlösung des Gutscheins auf dem eigenen Webshop. Wenn der Kunde beim Händler gekaufte Produkt registriert, wird auch das Wissen über den Kunden ausgebaut, dem der Hersteller bislang nicht als Produktbesitzer und -nutzer bekannt war.

2.3 Status-abhängige, exklusive Services

Eine weitere Möglichkeit Kunden von einer Registrierung zu überzeugen sind Status-abhängige, exklusive Services. Dieses Modell ist in vielen Branchen, wie bspw. bei Airlines, Standard. Auch Herstellen nutzen solche Statusprogramme zum Aufbau von langfristigen Kundenbeziehungen. Bei Nespresso zum Beispiel können Käufer drei Kundenstatus erreichen:

  • Connaisseur: Sobald der Kunde sich registriert, kann er versandkostenfrei bestellen (ab 10 Stangen oder 40 EUR Bestellwert), an Master Classes teilnehmen und erhält Maschinenservices.
  • Expert: Kunden, welche seit fünf Jahren Mitglied sind oder über 1000 Kapseln pro Jahr erwerben, erhalten zusätzlich für den Kauf von 1300 Kapseln einen Entkalkter-Gutschein, 10 % Rabatt auf Zubehör, sowie Zugang zu Pre-Sales.
  • Ambassador: Wenn Kunden nun seit zehn Jahren Mitglied sind oder über 1300 Kapseln im Jahr erwerben, erhalten sie einen Premium Lieferservice (ab 20 Stangen Kaffee oder 80€ Bestellwert), nehmen am VIP Sale teil und erhalten 30% Rabatt auf Maschinen.

Nespresso Mitgliedschaft-Status (nespresso.de)

Einschätzung aus Kundensicht: Kapselmaschinen wie von Nespresso erfordern den ständigen Nachkauf von Kapseln. Loyalität belohnende Kundenbindungsprogramme liegen in dieser Situation auch aus Kundensicht nahe, sie sind ihm bspw.auch durch Airline- oder Bahnprogramme bekannt. Die Wettbewerbsfähigkeit der Vorteile des Nespresso Kundenbindungsprogramms sind allerdings zumindest teilweise fragwürdig. Warum ist eine vergleichsweise hohe Mindestbestellsumme erforderlich, um die Kapseln umsonst geliefert zu bekommen, wenn das bei Amazon Prime Standard ist? Warum bekomme ich für den Kauf von großen Mengen Kaffeekapseln im Premium-Preisniveau als Dank einen Entkalkter, den ich für wenige Euro in jedem Supermarkt kaufen kann? Auch der Maschinenrabatt ist viel niedriger als der Rabatt, welche ein Status-Kunde bei einem Nespresso Abo, welchen wir zuvor vorgestellt haben, ohnehin erhalten würde.

Einschätzung aus Herstellersicht: Status-Programme klingen aus Herstellersicht verlockend. Allerdings müssen sich Hersteller darüber bewusst werden, dass Status-Programme für Kunden nur dann Sinn machen, wenn die enthaltenen Benefits wirklich einen Unterschied machen und exklusiv sind. Das gebündelte Anbieten von Vorteilen, die anderswo Standard sind, macht keinen Sinn und dürfte langfristig ins Leere laufen.

3. Zusammenarbeit mit Händlern

Umso besser die Value Proposition der Webshops der Hersteller werden – und genau dafür wollen wir in dieser Analyse Inspirationen bieten – umso schwieriger wird der zu erwartende Dialog mit den bisherigen Händlern, die für Markenhersteller bislang den Vertrieb oftmals komplett übernommen haben und eine essentielle Rolle für den Herstellererfolg eingenommen haben. Nun stehen Hersteller und Händler in Konkurrenz um den Kunden. Doch der Hersteller muss weiterhin mit dem Händler zusammenarbeiten, denn gerade am Anfang der Implementierung einer D2C-Strategie, ist der Direktumsatz, verglichen mit dem existierenden Händlerumsatz, klein. Im Folgenden stellen wir drei Möglichkeiten vor, wie Hersteller versuchen, Händler in ihre E-Commerce Aktivitäten einzubinden. Allerdings ist es erforderlich, jeweils genau auf die wirklichen Vorteile für die Kunden – und damit auch die Sinnhaftigkeit für Hersteller und Händler – zu betrachten.

  1. Händlersuche (stationäre Händler)
  2. Händlerverlinkung (Online-Händler)
  3. Exklusive Händlerprodukte

3.1 Händlersuche (stationäre Händler)

Die auf den ersten Blick einfachste Lösung im Wettbewerb zwischen Hersteller und Händler ist es, dem Kunden auf dem Hersteller-Webshop die Wahl zu lassen, ob er direkt beim Hersteller oder beim Händler kaufen will.

Stihl bspw. bietet auf dem eigenen Webshop eine Suche nach stationären Händlern an. Der Kunde kann über Eingabe seiner Postleitzahl eine Liste an Händlern im Umkreis sehen, bei denen Stihl-Produkte erhältlich sind. Diese Liste kann nach Sortimentsgruppen und erhältlichen Services beim Händler gefiltert werden. Pro Händler werden Basisinformationen, wie bspw. Adresse und Öffnungszeiten, angezeigt.

Händlersuche von Stihl (sthil.de)

Einschätzung des Kunden: Für den Kunden ergibt die Suche nach stationären Händlern als Alternative zum begonnenen Kauf beim Hersteller-Webshop nur sehr bedingt und im Spezialfall Sinn.

Denn für den Kunden bedeutet die Suche nach einem stationären Händler zunächst einen Mehraufwand: Suche nach einem Händler in der Nähe, telefonische Abfrage der Produktverfügbarkeit und des Preises, Hinfahrt und Abholung. Für die meisten Kunden ist dies vermutlich zu umständlich, um den Kauf beim Hersteller abzubrechen – es sei denn, der Kunde benötigt das Produkt sofort und hofft auf eine zeitnahe Abholmöglichkeit in der Nähe.

Einschätzung des Herstellers: Durch die Einbindung der Suche nach stationären Händlern kann sich der Hersteller gegenüber seinen Händlern als kollaborativer Partner darstellen. Realistisch gesehen ist diese Einbindung aber in den meisten Fällen eher eine symbolische Kollaboration: Wo kein Wert für den Kunden geboten werden kann, entsteht auch kein Wert für den Händler.

3.2 Händlerverlinkung (Online-Händler)

Anstelle der eben vorgestellten Suche nach stationären Händlern binden einige Hersteller auch den Online-Handel mit ein. AEG bspw. bietet auf den Produktdetailseiten des eigenen Webshops neben der „in den Warenkorb legen“ Funktion auch Links zu Online-Händlern an, bei denen das Produkt verfügbar ist. Die Links führen direkt auf die Produktseite des jeweiligen Online-Händlers.

Online-Händler-Verlinkung von AEG (aeg.de)

Einschätzung des Kunden: Aus Kundensicht wird diese Funktion vermutlich insbesondere deshalb wertvoll, weil sie einen Impuls dafür schafft, Preise zu vergleichen. Allerdings ist diese Funktion aus Kundensicht nicht besonders komfortabel, weil er sich durch jeden angebundenen Webshop eines Online-Händlers separat durcharbeiten muss. Das kann sich schnell mühsam anfühlen, insbesondere, wenn die ersten gefundenen Preisdifferenzen zwischen Hersteller und Händler so hoch sind, dass die Suche nach dem besten Preis geboten scheint – in diesem Fall bieten Preisvergleichsplattformen wie idealo.de schnell Hilfe an.

Einschätzung des Herstellers: Aus Herstellersicht ist die Option der Verlinkung auf Online-Händler zweigespalten: Man hilft dem Kunden zwar dabei, die beste Option und auch den besten Preis zu finden und bindet dabei sogar die Händler mit ein – alles jedoch zulasten einer mühsamen Kunden-Experience. Und sollte der Kunde bei Online-Händlern tatsächlich attraktivere Preise finden ist zumindest für diesen Kunden der Hersteller-Webshop bei Folgekäufen nicht mehr die erste Wahl.

3.3 Exklusive Händlerprodukte

Hersteller können ihren Händlern exklusive Produkte anbieten, die nur diese – ggf. ausgewähltes und zertifizierten – Händler vertreiben dürfen, nicht der Hersteller selbst.

Bosch hat bspw. ein EXCLUSIV Hausgeräte Programm: Ausgewählte Partnerhändler verkaufen das EXCLUSIV-Sortiment ausschließlich über den stationären Handel. Und auch für Möbelhäuser und Küchenstudios gibt es eine Lösung. Das Sortiment Accent-Line ist ausschließlich im Küchen- und Möbelfachhandel erhältlich.

Ähnlich verfährt JBL mit seinem Premium Audio Segment, das nur über Fachhändler vertrieben wird.

EXLCUSIV Hausgeräte Programm von Bosch (bosch-home.com)

Einschätzung des Kunden:  Für Kunden ist diese Integration der Fachhändler besonders aufgrund der Komplexität der Produkte sinnvoll: Kunden profitieren von der Vor-Ort Beratung und den Services der Fach- und Partnerhändler. Dies trifft insbesondere auf Kunden zu, welche besonders auf Qualität und persönliche Beratung Wert legen und weniger preissensitiv sind.  

Einschätzung des Herstellers:  Hersteller können durch dieses Modell vor allem die Zusammenarbeit mit dem produkt- und beratungserfahrenen Fach- und Spezialhandel bewahren und ausbauen. Die exklusiven Händler-Produkte sind meist hochpreisiger und erlauben gute Marge für Händler und Hersteller. Auf der anderen Seite kann der Hersteller dann alle anderen Produkte, welche wahrscheinlich den Großteil des Umsatzes ausmachen, wettbewerbsfähig selbst verkaufen, denn hier stehen die Händler, welche sich auf die exklusiven Produkte fokussieren, nicht mehr im Wettbewerb.   

4. Fazit

Hersteller müssen ihren eigenen D2C Webshops Value Propositions geben, die sie von denen sich im Wettbewerb befindlichen Händler-Webshops abheben. Auch für die erfolgreiche Etablierung ihrer Kunden-Accounts müssen Hersteller ihren Kunden ausreichende Mehrwerte bieten. Dafür nutzen Hersteller einen breiten Mix an Ansätzen, die attraktive Preise und besondere Services anstreben. Diese Ansätze werden teilweise separat und teilweise in Kombination angeboten.

Obwohl Hersteller auf dem Feld der Preisattraktivität konzeptionell weniger Möglichkeiten für als Händler haben – der Hersteller darf bspw. nicht permanent vom eigenen UVP abweichen – gibt es Wege, preislich indirekt attraktiv zu gestalten, bspw. durch temporäre Aktionen, Gutschein-Kampagnen oder exklusive Produkt-Bundles. Auf dem Gebiet der Services haben die Hersteller hingegen mehr Möglichkeiten als die Händler, bspw. durch Abo-Modelle oder die Verbindung des Kaufs von Hardware mit digitalen Services des Herstellers. Zusätzlich können – und müssen – Hersteller auch die Services anbieten, die zum E-Com Standard des Handels gehören, bspw. Liefer- und Installationsservices.

Eine übergreifende Erkenntnis ist, dass die konfigurativen Ausprägungen der konzeptionellen Ansätze bei vielen Herstellern noch zu klein gedacht sind: Die Liefer- und Installationsservices sind bspw. teuer als bei Amazon, die Gutscheinkampagnen reichen für Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem idealo-Bestpreis nicht aus., die Loyalty-Programme bieten keine eigenständigen Mehrwerte. Auffällig dabei ist, dass vergleichsweise junge Herstellermarken wie GoPro oder Sonos, die quasi „digital native brands“ sind, ihre Webshops deutlich konsequenter auf Attraktivität ausrichten als etablierte Hersteller wie Bosch, Miele oder Philips.

Gerade für etablierte Hersteller ist eine wichtige Frage, wie sie eigene attraktive Webshops aufbauen können, ohne ihre langjährigen Handelspartner und deren E-Com Strategien anzugreifen. Viele Hersteller versuchen deshalb auch, die Webshops ihrer Händler als alternative Kaufoption in die Hersteller-Webshops zu integrieren. Diese Ansätze machen allerdings zumindest aus Kundensicht keinen Sinn – und werden damit auch weder für den Hersteller noch seine Händler funktionieren. Vielversprechender scheinen hingegen Hersteller-Kampagnen, die den Händler integrieren, wie bspw. von Leica.

Kurzportrait & Kontakt – eStrategy Consulting

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eStrategy Consulting deckt den gesamten Lebenszyklus digitaler Innovation ab, von der Analyse über die Ideation, die Lösungsentwicklung und die Markteinführung. Wir arbeiten als Strategie- und Konzeptentwickler sowie als nahtlos integrierter und pragmatischer Umsetzungsmanager. Wir setzen dafür auf einen Methoden-Mix aus der Welt des Digital Business und der klassischen Unternehmensberatung. Im Mittelpunkt stehen dabei sowohl die anwendenden Kunden unserer Klienten als auch seine Organisation und Fähigkeiten, die zum Betreiben notwendig sind.